In Stuttgart tut sich was: Moderne Radverkehrsanlagen entstehen, die für viele hier noch Neuland sind. Hier ist daher eine Übersicht, wie die neuen – und alten – Radverkehrsanlagen zu benutzen sind.
Fangen wir mit den konventionellen Radwegen auf dem Bürgersteig an. Diese sind zwar nicht neu, dennoch kennen viele die Regeln nicht. Wann darf, wann muss ein Radweg benutzt werden?
Ein blaues Schild „Radweg“ oder „Geh- und Radweg“ bedeutet Benutzungspflicht. Wenn der Radweg rechts oder links an einer Straße entlangführt, so dass er als Teil davon zu betrachten ist, bedeutet dies, dass die Fahrbahn nicht benutzt werden darf. Eine Ausnahme gilt, wenn der Radweg z.B. wegen Schnee, Falschparkern oder einer Baustelle nicht benutzt werden kann.
Es gibt auch Radwege ohne Benutzungspflicht. Auf der rechten Seite kann ein Weg einfach durch Piktogramme auf dem Boden oder durch besondere farbliche Abhebung vom restlichen Bürgersteig als Radweg erkennbar sein. Dann gilt, dass freie Wahl zwischen dem Weg und der Fahrbahn besteht. Auf der linken Seite sind diese mit einem allein stehenden Zeichen "Fahrrad frei" gekennzeichnet – vielerorts wird das Zeichen auch rechtsseitig eingesetzt.
Linke Radwege dürfen nur benutzt werden, wenn dies durch eines der obigen Verkehrszeichen gekennzeichnet ist. Eine wichtige Regel, denn links fahren ist gefährlich!
Ein Zeichen „Gehweg“ mit Zusatz „Fahrrad frei“ bedeutet, dass der Weg nur mit Schrittgeschwindigkeit befahren werden darf. Man kann aber auch einfach auf der Fahrbahn weiterfahren. Die Schrittgeschwindigkeit gilt übrigens auch bei "Fußgängerzone / Fahrrad frei".
Nicht benutzungspflichtiger Radweg in der Silberburgstraße
Radwege können problematisch sein. Radfahrer*innen auf dem Radweg haben an Zufahrten und Seitenstraßen zwar Vorfahrt, sofern es nicht anderweitig gekennzeichnet ist. Man kann sich aber nicht darauf verlassen, dass sich die Autofahrer*innen daran halten – insbesondere wenn die Sicht versperrt ist, z.B. durch parkende Autos. Es ist daher ratsam, im Zweifelsfall Blickkontakt mit dem/der Autofahrer*in aufzunehmen. Dabei sollte man einerseits bremsbereit sein, aber andererseits nicht signalisieren, dass man auf seine Vorfahrt verzichtet. Im Falle parkender Autos muss man zu diesen genügend Abstand halten. Eine Autotür ist schnell geöffnet, und der/die Beifahrer*in hat womöglich noch nie gelernt, dass man dabei auf Radfahrer*innen aufpassen muss.
Radfahrstreifen sindmit einer durchgezogenen, Schutzstreifen durch eine gestrichelte Linie von der Kfz-Fahrbahn abgetrennt. Radfahrstreifen sind normalerweise zudem mit einem „Radweg“-Schild gekennzeichnet und damit benutzungspflichtig. Für Schutzstreifen gibt es keine ausdrückliche Benutzungspflicht, es gilt aber das Rechtsfahrgebot. Wichtig ist es, immer genug Abstand zu parkenden Autos zu halten – mindestens einen Meter. So weit geht in der Regel eine Autotür auf. Auch bei Schräg- und Senkrechtparkern ist Abstand wichtig, da deren Fahrer*innen oft im "Blindflug" ausparken. Die Sicherheitstrennstreifen, die bei neueren Radverkehrsanlagen markiert sind, sind fast immer zu schmal, der Abstand muss größer sein.
Schutzstreifen bergauf in der Waldburgstraße.
Radfahrstreifen in der Stresemannstraße
Schutzstreifen auf der linken Seite – also im Gegenverkehr – dürfen selbstverständlich NIE benutzt werden! Dieses „Geisterradeln“ ist extrem gefährlich! Bei Radfahrstreifen ist die linksseitige Nutzung wie bei Bürgersteig-Radwegen geregelt, sie kommt in der Praxis aber so gut wie nie vor.
Dachswald: Bergab wird im Mischverkehr gefahren
Wenn keine Radverkehrsanlage vorhanden ist, wird im Mischverkehr mit den Kfz gefahren, nicht etwa auf dem Gehweg. Dies ist nicht nur verboten, sondern meist auch gefährlicher als auf der Fahrbahn. Auf dem Gehweg rechnet niemand mit Radfahrer*innen – weder Fußgänger noch einbiegende Autofahrer*innen oder andere Radfahrer*innen. Die Gefahren beim Benutzen der Fahrbahn werden hingegen oft überschätzt. Es ist wichtig, gut sichtbar und nach außen selbstbewusst zu fahren, mit genug Abstand zum Fahrbahnrand bzw. zu parkenden Autos.
Reinsburgstraße: Nein, das ist kein Radstreifen! Das ist der Bereich, in dem man besser nicht fährt.
Eine Ausnahme gilt bei Kindern und deren Aufsichtspersonen: Bis zum 8. Geburtstag müssen, bis zum 10. dürfen Kinder auf dem Gehweg fahren. Das gilt auch bei Schutzstreifen und Radfahrstreifen. Nur bauliche Radwege dürfen die Kinder unter 8 benutzen. Eine Aufsichtsperson (ab 16) darf mit einem Kind unter 8 auf dem Gehweg mitfahren.
Mit dem Fahrrad darf man neben dem normalen Linksabbiegen auch indirekt links abbiegen. Dabei fährt man am rechten Fahrbahnrand geradeaus über die Kreuzung, am Ende der Kreuzung fährt man einen Schlenker nach rechts, dreht sich nach links und fährt gemeinsam mit dem Querverkehr weiter in die gewünschte Richtung. Dies dauert in der Regel länger als das direkte Abbiegen, manche finden es aber angenehmer, da man sich nicht links einordnen muss. Neuerdings gibt es an einigen ampelgeregelten Kreuzungen eine extra Aufstellfläche mit Fahrrad-Ampel für indirektes Linksabbiegen. Wichtig ist, dass man zunächst beim Geradeausfahren das normale Geradeaussignal beachten muss, sonst würde man mit dem Querverkehr kollidieren. Danach wartet man an der Aufstellfläche rechts neben dem Geradeausstreifen, bis das dortige Signal Grün zeigt und quert die Straße, aus der man kam.
Indirektes Linksabbiegen in der Löwentorstraße
Bei roter Ampel nur mal kurz rechts abbiegen? Normalerweise ist das natürlich nicht erlaubt. Außer an der Ampel ist ein Grünpfeil angebracht. Er erlaubt, auch bei roter Ampel rechts abzubiegen, sofern man zuvor an der Haltelinie gestoppt und den Vorrang der anderen Verkehrsteilnehmer*innen mit Ampel-Grün beachtet hat. Vor allem auf Fußgänger*innen muss dabei besonders geachtet werden. Es gibt auch Grünpfeile, die ausschließlich für Radfahrer*innen gelten.
Grundsätzlich gilt ein Rechtsfahrgebot. Lange Zeit bekamen die Schulkinder vor der Fahrradprüfung gesagt, sie sollen im Kreisverkehr ganz rechts fahren. Das ist jedoch absolut falsch und wird unseres Wissens so auch mittlerweile nicht mehr gelehrt. Fahren Sie so, dass sie nicht überholt und anschließend geschnitten werden können. Das gilt auch beim Ein- und Ausfahren in den Kreisverkehr.
Dürfen Radfahrer*innen auf der Fahrbahn nebeneinander fahren? In Fahrradstraßen und Fahrradzonen klar ja. Ansonsten muss hintereinander gefahren werden, wenn sonst andere Verkehrsteilnehmer*innen behindert werden.
Falls Sie auch ein Auto nutzen:
Was ist für Autofahrer*innen zu beachten?
Nutzen wir die Straße gemeinsam! Die Straßen sind für alle da. Ein „Recht des Stärkeren“ gibt es nicht. Genauso wie von Radfahrer*innen zu Recht erwartet wird, sich gegenüber Fußgänger*innen rücksichtsvoll zu verhalten, dürfen die Radfahrer*innen entsprechendes von den Autofahrer*innen erwarten. Der Mindestabstand beim Überholen von Radfahrer*innen beträgt 1,5 m, außerorts 2 m. Im Übrigen darf nur überholt werden, wenn der Geschwindigkeitsunterschied „wesentlich“ ist, wenn ausreichend Platz ist und der/die Überholte nicht behindert wird: Also zum Beispiel nicht vor einer Engstelle noch schnell überholen, um sie noch vor dem/der Radfahrer*in zu passieren. Es gibt überdies ein neues Verkehrszeichen, welches das Überholen einspuriger Fahrzeuge (also z.B. Fahrräder und Motorräder) verbietet.
Postkarte der Stadt Stuttgart
Fahrradstreifen dürfen von Kfz nicht benutzt werden. Eine Ausnahme gibt es nur, um Stellplätze oder Grundstücke rechts davon erreichen zu können.
Schutzstreifen dürfen von Kfz mitbenutzt werden, wenn es notwendig ist und eine Gefährdung von Radfahrern ausgeschlossen ist; zum Beispiel wenn ein breites Fahrzeug entgegenkommt, man den Platz zum Ausweichen benötigt und gerade kein Radfahrer zu sehen ist. Es ist nicht zulässig, einfach die ganze Zeit den Schutzstreifen mitzubenutzen. Eine gestrichelte Linie in der Straßenmitte bedeutet ja auch nicht, dass man die linke Seite die ganze Zeit mitbenutzen darf.
Fahrradstraßen dürfen mit Kfz nur benutzt werden, wenn dies ausdrücklich per Zusatzschild zugelassen ist. In den Stuttgarter Fahrradstraßen heißt es oft „Anlieger frei“; das heißt, nur solche Kfz dürfen die Straße benutzen, deren Fahrer*innen dort etwas zu erledigen haben. Ebenso gilt dies alles für das neue Verkehrszeichen "Fahrradzone".
Tübinger Straße: Fahrradstraße, Anlieger frei
Kreisverkehre, bei denen die Radfahrer*innen auf der Kreisfahrbahn mitfahren, sollten eigentlich so gestaltet sein, dass Sie gar nicht erst auf die Idee kommen, ein Fahrrad beim Einfahren oder auf der Kreisfahrbahn zu überholen. Auch wenn das in vielen Fällen nicht so ist: Kreisverkehre sind der falsche Ort für Überholmanöver! Warten Sie damit, bis der/die Radfahrer*in den Kreisverkehr verlassen hat.
Unterländer Straße: Kreisverkehr mit schmaler Zufahrt und gepflastertem Innenring
Gehwege und Radwege sind keine Ersatzparkplätze. Auch wenn die Suche schwierig ist, erliegen Sie bitte nicht der Versuchung, „nur mal kurz“ Ihr Fahrzeug auf den Flächen abzustellen, die für die anderen vorgesehen sind. Auch das kurze Halten auf Schutzstreifen ist nicht erlaubt.
So nicht! Falschparker in der Holzstraße (Archivbild)
Sehr oft wird missachtet, dass an Straßenecken nicht geparkt werden darf. Normalerweise sind 5 m zu den Schnittpunkten der Fahrbahnkanten freizuhalten. Dies erhöht sich auf 8 m, wenn ein straßenbegleitender baulicher Radweg vorhanden ist. Dies ist besonders wichtig, um Sichtachsen freizuhalten und Fußgänger*innen und Radfahrer*innen ein gefahrloses Queren von Kreuzungen zu ermöglichen. Am schlimmsten ist es, wenn Ecken komplett zugeparkt sind und Eltern mit Kinderwagen, Menschen im Rollstuhl oder Rad fahrende Kinder nicht vorbei kommen. Auch vor Bordsteinabsenkungen darf nicht geparkt werden.
Stellplatz-Markierungen sind stets einzuhalten. Zwei Beispiele:
1. Oft gibt es Stellplätze neben Radschutzstreifen und Radfahrstreifen. Wenn Sie solche Stellplätze nutzen, parken Sie bitte ganz dicht am Bordstein. Die markierten Sicherheitstrennstreifen sind (sofern überhaupt vorhanden) ohnehin praktisch immer zu schmal. Ragt ein Auto auch nur ein wenig in diesen Streifen hinein, führt das schon dazu, dass Radfahrer*innen in Richtung der Fahrbahn ausweichen müssen, um genügend Abstand zu halten – sie können ja nicht wissen, ob Sie vor dem Öffnen Ihrer Tür auf Radfahrer*innen achten oder nicht.
2. Wenn beschildert und markiert ist, dass das halbe Auto auf dem Gehweg stehen soll, stellen Sie das Fahrzeug bitte nicht noch weiter auf den Gehweg als vorgesehen. Diese Gehwege sind meist ohnehin schon sehr schmal und dürfen nicht noch weiter eingeengt werden.
Theodor-Heuss-Straße: So ist der Radfahrstreifen nicht nutzbar. Wenn man Abstand zur Tür hält, ist man schon mindestens auf dem linken weißen Streifen.
Bitte denken Sie beim Aussteigen aus dem Auto am Straßenrand immer daran, sich umzuschauen. Am besten immer mit der rechten Hand zur Tür greifen, dann geht das fast automatisch. Beifahrer*innen sollten entsprechend immer die linke Hand nutzen. Auch wenn rechts "nur" ein Gehweg ist, denken Sie bitte an Rad fahrende Kinder, Roller, Skateboards etc.
Fahren Sie nie im "Blindflug". Auch wenn Sie aus einer engen Einfahrt heraus über den Gehweg auf die Straße fahren, denken Sie an radfahrende Kinder! Lassen Sie sich einweisen, wenn Sie nicht gewährleisten können, dass der Gehweg frei ist. Und wenn niemand zum Einweisen da ist? Dann können Sie die Fahrt nicht antreten, so hart das auch klingt. Aber noch härter sind die Konsequenzen, wenn es zum Unfall kommt. Dasselbe gilt, wenn Sie aus einem Schräg- oder Senkrecht-Parkstand auf die Fahrbahn fahren.