Werden Rad- und Fußgängerwege nur farblich getrennt und so dicht aneinander vorbeigeführt, dass im innerstädtischen Begegnungsverkehr gefährliche Situationen zwangsläufig zu erwarten sind, können ähnliche Situationen entstehen wie auf gemeinsamen Rad- und Gehwegen. Daraus folgt laut BGH eine vergleichbare Pflicht zur Rücksichtnahme von Radfahrern auf Fußgänger dann, wenn sich das abstrakte Gefährdungspotenzial zu einer kritischen Situation verdichtet (VI ZR 171/07).
„Das höchstrichterliche Urteil überrascht, weil es die von der Straßenverkehrsordnung vorgegebenen Unterschiede zwischen getrennten und gemeinsamen Geh- und Radwegen verwischt", sagt ADFC-Rechtsreferent Roland Huhn. Unstrittig sei, dass Radfahrer auf andere Verkehrsteilnehmer Rücksicht nehmen müssen. Aber, so Huhn: „Das Risiko, dass ein unaufmerksamer Passant den Radweg betritt, besteht auf nahezu allen Bordsteinradwegen in den Innenstädten. Deshalb müssten Radfahrer dort, um dem Vorwurf einer Mitschuld zu entgehen, ihr Tempo bei Begegnungen mit Fußgängern eigentlich immer auf Schrittgeschwindigkeit herabsetzen."
Der Bundesgerichtshof hob mit seiner Entscheidung ein Urteil des Oberlandesgerichtes Düsseldorf vom 18.06.2007 (I-1 U 278/06) auf: Die Düsseldorfer Richter hatten entschieden, dass Radfahrer auf einem getrennten Rad- und Fußweg nicht verpflichtet seien, auf Fußgänger in gleicher Weise Rücksicht zu nehmen wie auf einem gemeinsamen Fuß- und Radweg. Im verhandelten Fall fuhr ein Radfahrer mit etwa 15 Stundenkilometern auf dem Radweg mit angrenzendem Gehweg und sah eine Frau, die sich an einer Bushaltestelle mit anderen unterhielt. Er klingelte in etwa zehn Metern Entfernung, um auf sich aufmerksam zu machen, die Fußgängerin bewegte sich jedoch in Richtung Radweg. Dadurch sah sich der Radfahrer zur Vollbremsung gezwungen, bei der er über den Lenker stürzte. Aufgrund des BGH-Urteils muss das OLG Düsseldorf neu entscheiden, welchen Anteil an seinem Schaden er selbst zu tragen hat.
Dr. Gerd Hüttmann, ADFC-Sprecher in Mannheim, will dieses Urteil im laufenden BYPAD (Bicycle Policy Audit)-Verfahren und dem im Anschluss für den Herbst geplanten "Runden Tisch" Radverkehr berücksichtigt wissen. Der ADFC drängt darauf, in Zukunft dem Radfahrstreifen den Vorzug vor dem Radweg zu geben, wenn Mischverkehr auf der Fahrbahn unvorteilhaft für Radfahrende ist.
Möglich wird dies durch die am 1. September 2009 in Kraft tretende Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO). Als wesentliche Neuerung wird der bereits 1997 eingeführte Radfahrstreifen auf der Fahrbahn künftig dem Radweg gleichgestellt. Ob der Radverkehr auf der Fahrbahn, einem Radfahrstreifen oder Radweg geführt wird, kann nun je nach örtlicher Situation entschieden werden. Hüttmann: „Die Annahme, der Radweg sei für die Radfahrer immer am sichersten, wird endlich ausgeräumt. Die Verkehrsplanung kann nun mehr den Bedürfnissen der Radfahrer angepasst werden."
Leider bleibt die Radwegebenutzungspflicht grundsätzlich zwar bestehen, soll aber auf ein erforderliches Maß beschränkt werden. Hüttmann: „Die Radwegebenutzungspflicht muss in Mannheim künftig zur Ausnahme werden. Vorteilhaft und bequem benutzbare Wege werden auch ohne Pflicht angenommen. Für die Anordnung einer Benutzungspflicht muss es also eine gute Begründung geben. Wenn der Mischverkehr gestärkt wird, sind sowohl Radfahrende als auch Fußgänger deutlich sicherer unterwegs."
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19.04.09: Innerstädtische Radwege bergen Gefahren
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